NEU Rekordschneefälle vom 4./5. März 2006

 

Bereits in der Nacht auf den 3. März überquerte eine Warmfront die Alpennordseite und brachte in Ermatingen 14 cm Neuschnee. Dahinter stieg im Laufe des Tages die Temperatur auf 7°C an.

 

Auf der Karte mit den Tageshöchstwerten vom 3. März ist sehr schön zu erkennen, wie weit die Warmluft nach Norden vorankam.

 

 

 

Der gefallene Schnee war bis zum Abend wieder komplett weggeschmolzen. In der Nacht auf Samstag, den 4. März kam die Kaltluft wieder nach Süden voran. Um 2:00 Uhr morgens überquerte uns die Kaltfront und liess die Schneefallgrenze rasch auf 700 m absinken. Bis 7:00 Uhr fiel Schneeregen, dann setzten Aufgleitprozesse ein und die Schneefallgrenze sank bis in die Niederungen ab. Die Temperaturen blieben aber noch bis 16 Uhr im leicht positiven Bereich und schwankten zwischen 0.1°C und 0.5°C, weshalb der Schnee zuerst nass und schwer war. Es schneite daraufhin bei sinkenden Temperaturen ununterbrochen bis am Sonntagmorgen weiter. Der Schnee wurde am Abend immer pulvriger. Die Intensität schwankte leicht, v. a. am späteren Samstagabend liess die Intensität der Schneefälle vorübergehend etwas nach. In der 2. Nachthälfte schneite es vor allem in der Nordostschweiz noch einmal intensiv. Am frühen Sonntagmorgen liessen die Schneefälle dann rasch nach. In Ermatingen hatte es innerhalb von 24 Stunden 47 cm Neuschnee gegeben. In dieser Region sind Schneefälle mit dieser Intensität und Dauer vermutlich als 100-jähriges Ereignis einzustufen. Da vorher kein Schnee lag betrug die Gesamtschneehöhe ebenfalls 47 cm. Auf dem Seerücken lagen auf 700 m Höhe 65 bis 70 cm. Vermutlich lag dort noch etwas Altschnee. Ausserdem fiel dort fast die ganze Zeit Pulverschnee, der eine geringere Dichte aufweist, so dass die Schneedecke weniger kompakt war.

 

Da der Schnee anfangs sehr nass war, kam es in den Wäldern unterhalb 600 m Höhe zu verbreitetem Schneebruch.

 

Die Ursache für die aussergewöhnlichen Schneefälle war eine von West nach Ost verlaufende, lang gestreckte Frontalzone. Entlang dieser Luftmassengrenze konnten sich mehrere Tiefdruckgebiete ausbilden. Das erste Tief Xandra führte am 3. März vorübergehend warme Luftmassen zu uns. Auf der Rückseite sickerte am Samstagmorgen (4. März) wieder kühlere Luft ein, so dass mit der Niederschlagsabkühlung bald wieder Schnee bis in die Niederungen fiel. Die nachfolgende Warmfront von Tief Yuna konnte die Kaltluft in der Deutschschweiz nicht mehr verdrängen, da sich eine Gegenstromlage einstellte. Am Boden setzte wegen dem Druckfall Bise ein, während in der Höhe ein kräftiger WSW-Wind blies. Dies führte zu starken Hebungsvorgängen und sorgte u. a. dafür, dass die Schneefälle im Mittelland so intensiv ausfielen. Ausserdem bildete sich dadurch eine sehr markante Bodenfront aus. In der Westschweiz fiel deswegen lange Zeit Regen. In Genf wurde ein Tageshöchstwert von 10°C gemessen. In der Nacht auf Sonntag zog der Tiefkern von Yuna südlich der Schweiz vorüber, so dass die kalte Luft wieder nach Süden vorankommen konnte und die Aufgleitprozesse abstellten.

 

Tageshöchstwerte vom 4. März. Bemerkenswert sind die grossen Temperaturunterschiede auf kleinsten Raum.

 

 

Interessant ist, dass das Wetterradar im Westen der Schweiz wesentlich höhere Reflektivitäten registriert hat als in der Nordostschweiz, obwohl die Niederschlagssummen nicht stark voneinander abwichen. Das lag an den unterschiedlichen Grössen der Schneeflocken. In der Nordostschweiz war die Kaltluftschicht mächtiger, so dass der Schnee nicht durch eine warme Luftschicht fiel. Nach Westen hin war diese Kaltluftschicht dünner und der Schnee fiel teils durch eine Schicht mit positiven Temperaturen. Das führte zu grösseren und nassen Schneeflocken, welche die Radarstrahlen stärker zurückstreuen.

 

Radaranimation von 3. bis 5. März

 

Im Mittelland lagen ausser in der Westschweiz verbreitet 30 bis 50 cm Schnee, in leicht erhöhten Lagen der Nordostschweiz sogar 50 bis maximal 70 cm.

 

 

24-stündige (12-stündige) Neuschneehöhen in der Schweiz und Süddeutschland bis am 5. März 2006 7:00 Uhr

 

 

Eine schöne Zusammenstellung des Schneefallereignisses ist hier zu finden:

 

http://www.vorhersagezentrale.de/Ereignis/20060305_e.html

 

Mögliche klimatische Ursachen

 

Es stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob dieses erneute Extremereignis (nach dem Hochwasserereignis im August 2005) etwas mit der Klimaerwärmung zu tun haben könnte. Vergleicht man die letzten Jahre mit den 90ern, so fällt auf, dass im Mittelland wieder häufiger Schnee fällt. Ursache dafür könnte eine negative Nordatlantische Oszillation (NAO) sein, bei welcher Westwindlagen im Winter eher selten auftreten. Die Polarfront kommt aufgrund des meridionalen Strömungsmusters häufiger nach Süden voran. Meist scheint dies allerdings erst im Februar oder März zu passieren. Dies führt dann zu frontogenetischen Prozessen im Ostatlantik. Die dabei entstehenden Frontensysteme ziehen dann oft in einer Westströmung (die aber nur vorübergehend besteht) nach Mitteleuropa. Normalerweise (v. a. bei positiver NAO) finden diese Prozesse südlich von Neufundland statt. Die Frontensysteme ziehen in diesem Fall wesentlich nördlicher und betreffen dann eher Skandinavien. Offenbar ist eine negative NAO, wie wir sie zum jetzigen Zeitpunkt haben, auch förderlich für intensive Schneefälle in den tieferen Lagen.

 

Die Häufung solcher Schneelagen im Spätwinter scheint im Jahr 1999 ihren Anfang genommen zu haben. Am 9. Februar 1999 traten im Mittelland heftige Schneefälle auf. Die Lage war vergleichbar mit dem aktuellen Fall. Polare Kaltluft arktischen Ursprung kam damals weit nach Süden voran und setzte frontogenetische Prozesse im Ostatlantik in Gang. Allerdings war die Frontalzone damals weniger lang gezogen. Trotzdem fielen im Mittelland innert 24 Stunden 30 bis 40 cm Schnee.

 

Das nächste vergleichbare Schneefallereignis fand zwischen dem 3. und 6. Februar 2003 statt. Auch damals kam Polarluft arktischen Ursprungs weit nach Süden voran. Es bildeten sich an der Vorderseite der Kaltluft mehrere Wellenstörungen aus. Die Bodenfront lag damals weiter im Osten, so dass nur die Nordostschweiz hohe Schneesummen erhielt. Daraufhin floss im Gegensatz zum jetzigen Ereignis Höhenkaltluft ein und sorgte noch 2 Tage für erhöhte Schaueraktivität. In erhöhten Lagen der Nordostschweiz fielen damals bis zu 50 cm, in den tieferen Lagen kamen etwa 30 cm zusammen.

 

Zwischen dem 23. und 25. März 2004 fielen in leicht erhöhten Lagen ausserordentlich grosse Schneemengen. In St. Gallen fielen in 48 Stunden 105 mm Niederschlag, der grösste Teil als Schnee. Am 25. März lagen in St. Gallen 72 cm Schnee, was bis dahin noch nie gemessen wurde. Im Appenzellerland kam teilweise ein Meter zusammen. Auch damals kam Polarluft weit nach Süden voran, doch die Lage unterschied sich deutlich von der jetzigen. Es bildete sich ein Tief über dem Mittelmeer, das dann eine Vb-artige Zugbahn einschlug. Die Niederschläge fielen vor allem in den Stauregionen. Im Mittelland fiel Regen, da die Niederschlagsabkühlung nicht ausreichte um die Schneefallgrenze bis herunter zu drücken.

 

Für den Monat Februar simulieren die Klimamodelle (trotz allgemeiner Erwärmung) eine Abkühlung über Mitteleuropa. Ursache dafür könnte vermehrte Kaltluftvorstösse zu dieser Jahreszeit sein. Gleichzeitig führt die globale Erwärmung zu stärkerer Verdunstung (v. a. in den Tropen und Subtropen). An der Polarfront (wo polare und subtropische Luftmassen aufeinanderprallen) könnten deshalb intensivere fronto- und zyklogenetische Prozesse ablaufen, da mehr Wasserdampf einbezogen werden kann. Es ist also nicht auszuschliessen, dass dieser intensive Schneefall auf eine Erwärmung des Klimas zurückzuführen ist und die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse in Zukunft zunehmen wird. Statistisch ist es aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich einen Trend nachzuweisen. Klimaforscher gehen allerdings davon aus, dass positive NAO-Phasen häufiger und stärker werden, was wahrscheinlich eher zu einer Häufung von intensiven Stürmen (wie Lothar Ende 1999) führt. Starkschneefallereignisse würden demnach in Zukunft eher sporadisch während den kurzen negativen NAO-Phasen auftreten, könnten dann aber durchaus extreme Ausmasse annehmen.

 

Bilder aus Ermatingen und Umgebung

 

Unser Haus unter 47 cm Schnee...

 

 

Der Garten versinkt im Schnee.

 

 

 

Im Vordergrund liegt Ermatingen, dahinter die Insel Reichenau und dahinter der Gnadensee, welcher immer noch grösstenteils zugefroren ist.

 

 

Der tief verschneite Seerücken. Auf 700 m liegen 65 bis 70 cm Schnee!

 

 

 

 

St. Georgskirche

 

 

Hochwart

 

 

Verschneite Drumlinhügel auf dem Bodanrück

 

 

Konstanz-Wollmatingen mit dem Wollmatinger Ried im Vordergrund

 

 

Blick Richtung Kreuzlingen

 

 

...und noch mal unser Haus. Die Schneedecke ist durch die leichten Plusgrade tagsüber bereits wieder einige cm zusammengesackt.